Soft Skills für Softwarearchitekt:innen
Unsere iSAQB® Accredited Trainers im Interview
Ein Mythos: Die iSAQB-Seminare – unabhängig von Foundation oder Advanced Level – setzen vor allem auf Hard Skills – technisches Knowhow, das moderne Softwarearchitekt:innen besitzen sollten, um ihren Job gut machen zu können.
Gleichzeitig ist Branchenkenner:innen schon lange klar: IT-Projekte scheitern selten, weil die Mitwirkenden fachlich inkompetent sind, sondern weil es im Zwischenmenschlichen hakt. Missverständnisse in den Anforderungen, Zielkonflikte, scheinbar unüberwindbare Ressourcenengpässe und dergleichen mehr.
Diese Praxiserfahrung hat bereits vor Jahren dazu geführt, dass vor allem das Advanced-Modul SOFT (Soft Skills für Softwarearchitekten), aber auch andere Module wie AGILA und DDD kommunikative Themen vermitteln.
Für diesen Artikel haben wir Trainerinnen und Trainer des Moduls SOFT befragt, welche Themen ihnen besonders wichtig sind und mit welchen Mythen im Bereich Soft Skills endlich aufgeräumt werden muss.
In diesem Beitrag zum Thema ordnen Heike Molin und Holger Tiemeyer (u. a. Soft-Skill-Trainerin und ‑Trainer) die wichtigsten Soft Skills für Softwarearchitekt:innen für uns ein und entlarven weitere Mythen.
Kim Nena Duggen: Welche Inhalte des Soft-Skill-Lehrplans sind aus Eurer Sicht die hilfreichsten/wichtigsten in der Praxis von Softwarearchitekt:innen?
Heike Molin: In meinen Soft-Skill-Trainings werden vor allem die Themen „Kommunikation“, „Moderation“ und „Konfliktmanagement“ als die wichtigsten Themen von den Softwarearchitekt:innen genannt.
Holger Tiemeyer: Die Standardantwort einer Softwarearchitektin/eines Softwarearchitekten lautet gewöhnlich: „Es kommt darauf an.“ Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sämtliche Themen des Curriculums zu dem Skill-Repertoire einer Softwarearchitektin bzw. eines Softwarearchitekten gehören sollten. Immerhin werden die Hard Skills aktuell zwar hoch bewertet, dennoch sind es die Soft Skills, die uns letztendlich auf vielen Ebenen weiterbringen.
Das aktuelle Curriculum ist in dieser Beziehung sehr gut aufgestellt: Behandelt werden viele Inhalte aus den Themenfeldern Kommunikation, Visualisierung, Moderation, Konfliktmanagement und Reflexion. Dazu werden Hilfsmittel sowie Werkzeuge für die alltägliche Arbeit vermittelt. Und genau hier kommt es darauf an, welche Hilfsmittel in welchem Kontext eingesetzt werden können.
Das Curriculum ist stufenweise aufgebaut, sodass sämtliche Themen ineinandergreifen und aufeinander aufbauen. Für mich wichtig sind dabei tatsächlich die Themenfelder „Moderation“, „Konfliktmanagement“ und „Reflexion“, um auch in schwierigen Kommunikationslagen fundierte Argumentationen führen zu können.
Kim Nena Duggen: Kontext Soft Skills: Womit haben Softwarearchitekt:innen am meisten Schwierigkeiten? Was macht die Disziplin so herausfordernd?
Heike Molin: Die größte Schwierigkeit für die Softwarearchitekt:innen erlebe ich in der Abgrenzung von Soft Skills (Sozial- und Persönlichkeitskompetenz) von den anderen (harten) Skills (Fach- und Methodenkompetenz). Daher starten wir im Soft-Skill-Training immer mit dem Kompetenzmodell und der damit verbundenen Abgrenzung der Persönlichkeits- (wie wirke ich als Einzelperson), Sozial- (wie stark bin ich im Team), Methoden- und Fachkompetenz.
Holger Tiemeyer: Einer Umfrage der IKS (IKS Gesellschaft für Informations- und Kommunikationssysteme mbH, Anm. d. Redaktion) zufolge haben Softwareentwickler:innen und ‑architekt:innen Schwierigkeiten mit unklaren oder zu häufig und schnell wechselnden Anforderungen, Termindruck sowie einem schlechten Projektmanagement. Diese Thematiken umfassen dabei natürlich auch die Soft Skills. Starke Kommunikationsfähigkeiten fördern die Abstimmung bzgl. der Anforderungen oder in Richtung der Projektleitung. Transparente Kommunikation ist fundamental wichtig, um zielorientierte Einigungen in konfliktären Situationen herzustellen.
In einigen, wenigen Projektsituationen ist es enorm schwierig die eigenen Bedürfnisse zu adressieren und diese offen zu kommunizieren. Das Johari-Fenster ist ein Beispiel hierfür: Die Arbeit in einem Projektumfeld, das sich im offenen Quadranten bewegt, ist hervorragend, effizient und performant. Doch wie kommen wir in diesen offenen Quadranten? Ein:e Softwarearchitekt:in muss dazu kein:e Psycholog:in sein, um eigene Bedürfnisse korrekt zu adressieren und zu kommunizieren. Ein paar Handwerksthematiken aus der Kommunikationstheorie helfen hier weiter.
Zudem sind Softwarearchitekt:innen allzu oft mit extrem komplexen Themen konfrontiert. Ein großes Problem dabei ist, dass diese Themen manchmal nur von spezialisierten Fachabteilungen und dem Umsetzungsteam verstanden und durchdrungen werden. Gerade die Dimensionen Problemlösung, Problemkommunikation, Problemidentifikation und eine verständliche Visualisierung/Darstellung der Lösung bergen ein enormes Konfliktpotential (u. a. auch mit sich selbst).
Ergänzend zu den puren Soft-Skill-Themen nehmen die Module AGILA und DDD das Thema der Lösungsfindung im Team auf. Hierbei sind die vertiefenden Themen aus dem Bereich Soft Skills enorm hilfreich.
Ich denke, dass eine der Grundfragen in Soft Skills ist: WIE kann ich jemand anderen (Team, Manager:in, Kund:in etc.) von meiner Lösung überzeugen? Hier sind oftmals einfache Tipps/Tricks gefragt, keine komplexe Psychologie.
Kim Nena Duggen: Was können Softwarearchitekt:innen nach dem Seminar „Soft Skills“? Was haben sie verinnerlicht?
Heike Molin: Die Softwarearchitekt:innen kennen nach der Schulung die verschiedenen Modelle im Bereich Kommunikation, Reflexion, Moderation und Konfliktmanagement. Außerdem haben sie Tipps zum Visualisieren und Präsentieren – auch im virtuellen Raum – kennengelernt.
Holger Tiemeyer: Nach meinen Soft-Skill-Trainings erwarte ich nicht, dass jemand als Kommunikationsexpert:in aus dem Training geht. Mir geht es primär darum das Bewusstsein über dieses fundamental wichtige Feld zu schärfen und transparent zu machen, dass Kommunikation und zwischenmenschliches Handeln sehr komplex sein können.
Die Teilnehmenden haben eine weitergehende Transparenz darüber, WARUM gewisse Dinge passieren. Sie sehen evtl. ihre eigenen blinden Flecken und haben Hilfsmittel in der Hand diese auch im Team zu verringern, um in den bereits erwähnten offenen Bereich des Johari-Fensters zu gelangen.
Ich bin der Meinung, dass sich das Seminar langfristig auszahlt. Dadurch, dass das Bewusstsein über die Materie geschaffen ist, setzten wir uns vermehrt damit auseinander – insbesondere auch in schwierigen Lebenssituationen, die evtl. nichts mit unserer eigentlichen Tätigkeit zu tun haben.
Ich sehe heute einen vermehrten Bedarf in der Soft-Skill-Thematik – insbesondere im Teamwork.
Kim Nena Duggen: Was ist der größte Mythos/Irrtum im Punkto Soft Skills, mit dem ihr regelmäßig konfrontiert werdet?
Heike Molin: Der größte Mythos ist, dass man in 3 Tagen die angebotenen Soft-Skill-Themen durchdringen und verinnerlichen kann. Diese Schulung kann einen guten Überblick und Anregungen mittels der verschiedenen Praxisübungen geben.
Holger Tiemeyer: Ich denke, dass der größte Mythos darin besteht, dass Soft Skills, wie der Name selbst schon andeutet, ein weiches Thema und daher nur etwas für weiche Menschen ist.
Informatik oder die Themen, mit denen wir Softwarearchitekt:innen konfrontiert sind, werden als die „harten“ Themen angesehen.
Dabei wird gerne übersehen, dass die weichen Themen der Schlüssel zum eigentlichen Erfolg sind. Gerade kommunikationsstarke Softwarearchitekt:innen sind in vielen Fällen weitaus erfolgreicher und effektiver darin, erfolgreiche Systeme zu begleiten.
Kim Nena Duggen: Was wolltet ihr im Kontext Soft Skills schon immer mal gefragt werden und wie würdet ihr darauf antworten?
Heike Molin: Ich wollte im Kontext Soft Skills schon immer mal gefragt werden, ob die Skills in Zeiten vom virtuellen Arbeiten weniger wichtig geworden sind, und würde antworten: „Ganz im Gegenteil, die Soft Skills sind im digitalen Raum sehr wichtig, um das Arbeiten in Online-Formaten möglichst wertschätzend zu gestalten.“
Holger Tiemeyer: Frage: „Was kann ich tun, um mein eigenes Verhalten in Bezug zu diversen Themen, z. B. Codequalität, Verhalten, Teamwork etc. zu ändern?“
Antwort: Grundsätzlich würde ich sagen, dass man sich Vorbilder suchen sollte. Vorbilder, die empathisch, kommunikationsstark und trotzdem effizient sind, die im Team gut angenommen werden und denen der Umgang mit Menschen augenscheinlich sehr leichtfällt. Diese Vorbilder helfen einem selbst zu einem Vorbild zu werden – basierend auf den Thematiken unseres Soft-Skill-Curriculums.
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