Über das CPSA®- Advanced Level Modul Enterprise Architecture Management (EAM)
Interview mit den iSAQB-Mitgliedern Mahbouba Gharbi und Roger Rhoades
Das Redaktionsteam des iSAQB hat mehrere Fragen zum CPSA®-Advanced Level Modul Enterprise Architecture Management (EAM) an Mahbouba Gharbi und Roger Rhoades gestellt. Beide Softwarearchitektur-Expert:innen sind langjährige iSAQB-Mitglieder und unter anderem als Kurator (Roger Rhoades) und als Co-Kuratorin (Mahbouba Gharbi) verantwortlich für die Pflege und Weiterentwicklung des Moduls EAM.
Was ist Enterprise Architecture Management (EAM)?
Eine der Herausforderungen beim Enterprise Architecture Management (EAM) (deutsch: Unternehmensarchitektur-Management) besteht darin, dass es so viele verschiedene Definitionen gibt, die sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten haben. Daher ist es eines der Ziele des iSAQB, einen standardisierten Lehrplan mit einem gemeinsamen Vokabular bereitzustellen, der Einheitlichkeit in dieses Thema bringt.
Es ist wichtig, zwischen Enterprise Architecture und Enterprise Architecture Management zu unterscheiden. Die folgenden Definitionen stammen von der Open Group, einer branchenführenden Organisation, die ein Framework für die Durchführung von EAM bereitstellt.
„[Unternehmensarchitektur] ist ein konzeptioneller Entwurf, der die Struktur und den Betrieb einer Organisation definiert. Sie strukturiert und kontextualisiert die Unternehmensaktivitäten, die konkrete Geschäftsergebnisse liefern, hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, im IT-Bereich.“
„[Unternehmensarchitektur-Management] ist eine kohärente Gesamtheit von Prinzipien, Methoden und Modellen, die bei der Gestaltung und Realisierung der Organisationsstruktur, der Geschäftsprozesse, der Informationssysteme und der Infrastruktur eines Unternehmens eingesetzt werden.“
Der „konzeptionelle Entwurf“ der Unternehmensarchitektur setzt sich in der Regel aus mehreren so genannten „Architekturdomänen“ zusammen, die die Struktur und das Zusammenspiel der verschiedenen Architekturelemente definieren:
- Geschäftsarchitektur: z. B. Governance, Organisationsstruktur und Standorte, Geschäftsfunktionen und Geschäftsprozesse.
- Informationsarchitektur: z. B. logische und physische Datenbestände, Daten-Governance.
- Anwendungsarchitektur: z. B. IT-Anwendungen und Schnittstellen, die Geschäftsfunktionen bereitstellen.
- Infrastrukturarchitektur: z. B. Plattformdienste und Technologiekomponenten, die zur Unterstützung der Bereitstellung von Geschäfts‑, Daten- und Anwendungsdiensten erforderlich sind, einschließlich Middleware, Netzwerke usw.
Durch den Entwurf einer Lösung, die alle relevanten Aspekte der verschiedenen Architekturdomänen umfasst, schaffen Unternehmensarchitekt:innen eine ganzheitliche Lösung, die eine erfolgreiche Umsetzung der Geschäftsstrategie gewährleistet. Das Ergebnis sind aufgeräumte Geschäftsprozesse mit entsprechenden Daten, eine optimierte Anwendungslandschaft und eine moderne, zukunftssichere IT-Infrastruktur.
Wie grenzt sich EAM vom Softwarearchitektur-Management (SAM) ab?
Der Unterschied zwischen EAM und SAM liegt vor allem im Umfang der Architekturaktivitäten. Einfach ausgedrückt, definiert die Softwarearchitektur die Architektur einer einzelnen IT-Anwendung, während die Unternehmensarchitektur die Architektur des gesamten Unternehmens definiert.
Sowohl EAM als auch SAM enthalten Elemente aller Architekturdomänen; SAM verwaltet jedoch Prozesse, Daten, Anwendungskomponenten sowie Technologie- und Infrastrukturkomponenten, die auf eine einzige IT-Anwendung beschränkt sind, während EAM Dutzende oder sogar Hunderte von Prozessen, IT-Anwendungen, Organisationseinheiten, Technologien usw. verwalten kann, die im gesamten Unternehmen eingesetzt werden.
Softwarearchitekt:innen sind traditionell für den Entwurf einzelner IT-Anwendungen zuständig, während Unternehmensarchitekt:innen für die Integration dieser Anwendungen verantwortlich sind. Darüber hinaus stellen die Unternehmensarchitekt:innen sicher, dass die Anwendungen gut mit den entsprechenden Geschäftsprozessen und Betriebsanforderungen integriert sind.
Die Abgrenzung zwischen EAM und SAM wird immer unschärfer, da die Unternehmen zu neuen Ansätzen wie Domain-Driven Design (DDD) und Microservices übergehen. Da die IT-Anwendungen immer kleiner werden und die Integration immer wichtiger wird, wird es immer schwieriger, die Aktivitäten des Architekturmanagements bestimmten Rollen zuzuordnen. Diese jüngste Entwicklung erfordert eine engere Zusammenarbeit zwischen den Architekturmanagement-Rollen.
Welche Aufgaben hat EAM in einem Unternehmen?
Die Hauptaufgabe von Unternehmensarchitekt:innen besteht darin, eine Zielarchitektur und eine Roadmap zu definieren, mit denen die Unternehmensziele und ‑strategien erreicht werden können. Je nach Geschäftsproblem oder ‑strategie können die Aktivitäten von der Senkung der IT-Kosten bis hin zur Entwicklung von unternehmensweiten Implementierungslösungen reichen. Dazu gehören Geschäftsprozesse, die sich über mehrere Geschäftsbereiche oder geografische Standorte erstrecken, Datenflüsse und IT-Anwendungen, die mehrere Geschäftsbereiche betreffen, unternehmensweite Infrastruktur- und Technologielösungen usw.
Da der Umfang des EAMs alle Architekturdomänen umfasst, wird die Rolle von Unternehmensarchitekt:innen in erster Linie zu einer Koordinierungstätigkeit. Die/Der Unternehmensarchitekt:in koordiniert in der Regel mit anderen Stakeholdern, um die Architekturlösung zu definieren (z. B. Prozessmanager:innen zur Definition von Geschäftsprozessen, Softwarearchitekt:innen zur Definition von IT-Anwendungen).
Unternehmens- und Softwarearchitekt:innen führen viele gleiche Aktivitäten durch, nur in einem anderen Umfang, z.B. Spezifizierung der Zielarchitektur, Bewertung möglicher Lösungsalternativen, Durchführung von Konformitätsbewertungen, Definition von Architekturstandards, Durchführung von Konformitätsprüfungen, usw.
Die/Der Unternehmensarchitekt:in kann auch zusätzliche Aktivitäten durchführen, wie z.B.:
- Klärung der geschäftlichen Treiber, Bedürfnisse, Ziele, Strategien und Rahmenbedingungen.
- Analysieren von Markt- und Technologietrends.
- Unterstützung (oder Definition) der IT-Strategie.
- Durchführen einer Stakeholder-Analyse.
- Definition von Unternehmensarchitektur-Prinzipien, ‑Richtlinien, ‑Leitlinien, ‑Musterlieferobjekte, ‑Referenzarchitekturen, ‑Best-Practices usw., um die Architektur und die Implementierung zu steuern.
- Analyse und Verwaltung des Geschäftsprozess‑, IT- und Technologieportfolios als Grundlage für Verbesserungen und Governance.
- Bewertung des Reifegrads aller Architekturdomänen.
- Definieren der Unternehmensarchitektur-Vision und ‑Strategie.
- Definieren von Integrations- und Migrationsstrategien.
- Priorisierung und Konsolidierung der geplanten Aktivitäten in einer unternehmensweiten Architektur-Roadmap.
- Bewertungen der Implementierungsbereitschaft.
- Definieren des Business Case für die Implementierung der Zielarchitektur.
Warum hat das iSAQB „EAM“ als ein Advanced Modul definiert? Welche Vorteile hat die Teilnahme an einer iSAQB EAM-Schulung für Unternehmens- oder Softwarearchitekten?
Der Kurs wurde entwickelt, um Softwarearchitekten ein breiteres Verständnis von Architekturmanagement zu vermitteln, damit sie bessere Lösungen entwickeln können, die Aspekte umfassenderer, unternehmensweiter Lösungen berücksichtigen. Auf diese Weise erhöhen sie die Chancen einer erfolgreichen Implementierung und stellen die Erreichung der Geschäftsziele sicher.
Es gibt mehrere Gründe, warum die Teilnahme am iSAQB Advanced-Modul EAM von Vorteil ist:
- Für Softwarearchitekt:innen, die einfach ihren Horizont erweitern und das „Big Picture“ über die Softwarearchitektur hinaus verstehen wollen.
- Für Unternehmens- und Softwarearchitekt:innen, die verstehen wollen, wie eine konkrete Architekturlösung von den Geschäftszielen und der Strategie abgeleitet wird und was notwendig ist, um eine erfolgreiche Implementierung sicherzustellen.
- Für Softwarearchitekt:innen, die erfolgreich große IT- oder allgemeine Implementierungslösungen umgesetzt haben und daran interessiert sind, ihre Karriere auf die nächste Stufe des Enterprise Architecture Management zu heben.
- Für Teilnehmer:innen, die die verschiedenen Rollen im Architektur-Management verstehen wollen und wie die Aktivitäten zwischen diesen Rollen koordiniert werden.
- Unternehmensarchitekt:innen verstehen jede Schicht der Unternehmensarchitektur und sind in der Lage, eine ganzheitliche Transformation mit Hilfe von Enterprise Architecture Frameworks wie das Zachmann Framework oder das Open Group Architecture Framework (TOGAF) durchzuführen.
- Die Aneignung des Wissens für eine komplexe Aufgabe wie das Enterprise Architecture Management (EAM) ist zeitaufwändig. Die dreitägige EAM-Schulung von iSAQB vermittelt das wesentliche Wissen zu diesem Thema.
Wie sieht die Entwicklung des Curriculums aus? Wann gibt es eine neue Version?
Der iSAQB-Lehrplan für EAM wurde kürzlich einer umfassenden Überarbeitung unterzogen, die bis Ende 2023 veröffentlicht werden soll. Der überarbeitete Lehrplan konzentriert sich viel stärker auf die EAM-Themen, die sich auf die Softwarearchitektur auswirken, oder auf EAM-Themen, die von der Softwarearchitektur beeinflusst werden. Die Implementierung eines Microservices-Ansatzes scheint bspw. „nur“ ein IT-spezifisches Thema zu sein; dieser Ansatz könnte sich jedoch auf unternehmensweite Prozesse, Datenmanagement und Infrastrukturkomponenten auswirken. Ein weiteres Beispiel: Eine scheinbar kleine Änderung auf Unternehmensebene kann weitreichende Auswirkungen auf viele IT-Anwendungen haben. Der neue iSAQB EAM-Lehrplan wurde überarbeitet, um genau diese Art von Themen zu behandeln.
Für welche Zielgruppe empfiehlt das iSAQB die Teilnahme an der Schulung? Für welche Unternehmen ist EAM sinnvoll?
Der Kurs richtet sich an Software‑, Solution- und Unternehmensarchitekt:innen, aber auch andere Rollen sind willkommen, z. B. Business-Architekt:innen, Projektmanager:innen. Es ist ein Irrtum, dass EAM nur für große Unternehmen geeignet ist. Die in diesem Kurs erlernten Methoden lassen sich genauso gut auf kleine und mittlere Unternehmen anwenden.
Welche Voraussetzung muss ich erfüllen, wenn ich die Schulung besuchen möchte?
Es wird empfohlen, dass die Teilnehmer:innen Erfahrung in der Implementierung großer IT- oder Unternehmenslösungen haben.
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